Ingrid Noll plaudert aus dem Nähkästchen

Ingrid_Noll
Die Ingrid Noll ist echt eine coole Sau. Darf man das überhaupt über eine Dame von 78 Jahren sagen? Ich denke, das geht schon in Ordnung. Wer die Grande Dame des deutschen Krimis live erlebt hat, so wie ich gestern abend bei einer Autorenlesung in der Thalia-Buchhandlung, wird mir bestimmt recht geben. Die Lady schwingt nicht nur eine verdammt scharfe Feder, wie sie in ihrem neuesten Werk "Hab und Gier" wieder mal aufs Gemeinste beweist, sie hat auch eine ganz schön spitze Zunge. Das bekamen die Zuhörer bei der anschließenden Fragerunde zu spüren.
Eine Frage nahm sie dem Publikum bereits vorweg. Wird ihr diese doch bei jeder Autorenlesung gestellt. "Ja, mein Mann lebt noch. Wahrscheinlich hätte er als gelernter Arzt sowieso die besseren Methoden, mich umzubringen als ich ihn."
Ingrid Noll begann erst mit Mitte 50 mit dem Schreiben. "Dann waren die Kinder aus dem Haus, und ich hatte endlich mein eigenes Zimmer."
Die erste Reaktion von Nolls Mann auf die Mitteilung, dass ein Verlag aus der Schweiz ihren ersten schriftstellerischen Versuch "Der Hahn ist tot" verlegen will: "War die Frau am Telefon besoffen?"
Eine Quotenregelung gibt es bei Ingrid Noll nicht. Männer sterben einfach öfters, weil die Frauen immer die Protagonisten in ihren Werken sind.
Überhaupt wird bei Noll sanft gestorben. Blutorigien und Gewaltausbrüche sind nicht ihr Ding.
Den Frauen von Noll ist allen eins gemein: "Sie haben alle einen gewaltigen Sprung in der Schüssel."
Ingrid Noll schreibt alle Geschichten auf einem Rechner. Morgens nach dem Frühstück fängt sie mit dem Schreiben an. Dann geht sie einkaufen, kocht für sich und ihren Mann. Mittags spielen die beiden Scrabble. Nachmittags wird sie oft und gerne heimgesucht von ihren vier Enkeln. Die dürfen natürlich ihren Rechner benutzen etwa für Youtube und Computerspiele. Noch scheint keines der Kinder eines ihre Werke aus Versehen gelöscht zu haben...
Ingrid Noll ist gut mit einigen Kollegen befreundet, die ebenfalls ihre Bücher beim Diogenes Verlag herausgeben. "Wir kennen uns persönlich, sind teilweise sogar befreundet. Da ist es immer etwas besonderes, wenn man das Werk eines anderen liest. Weiß man doch, was ihn zu dieser Zeit bewegt hat." Sie und ihre Schriftstellerfreunde schicken sich gegenseitig ihre neuesten Bücher zum Lesen zu. "Und wir vergewissern uns dabei gegenseitig, wie toll wir sind!"
Wie es sich gehört, war Noll eine gute Aufsatzschreiberin in der Schule, nur in Mathe war sie eine einzige Niete. "Ich musste also immer schauen, dass ich die Fünf in Mathe mit Deutsch ausgleichen konnte." Auf jeden Fall hat keiner ihrer Deutschlehrer ihr eine solche Krimi-Karriere vorhersagen können.
Noll behauptet von sich selbst, eine virtuelle Galerie in ihrem Kopf zu haben, in der sie alle interessante Frauenporträts speichert, die sie jemals in Kunstgalerien, Museen etc. gesehen hat. Aus diesem "Fundus" liefert sie dann die jeweiligen Titelbilder zu ihren Büchern.
Genauso stammen auch die Titel aus ihrer eigenen Feder. "Ich musste dem damaligen Verleger des Diogenes Verlag immer mehrere Vorschläge einreichen. Daraus hat er sich dann - nach meinem Geschmack - den besten ausgesucht."

 

 

 

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