Schon öfters hatte ich das Vergnügen, von den Willstätter Landmännern zu ihren Aktionen eingeladen zu werden. Da nun die Jahreszeit mit den wichtigsten Feiertagen vor der Türe stehen, beschlossen die Herren, das typische Festtagsmemü des Hanauerlands diesmal selber zuzubereiten. Ich durfte als einzige Frau die Gruppe bei ihrer speziellen Küchenparty begleiten. Was für'nen Spaß!
Die Willstätter Landmänner sind der Gegenentwurf zu den Landfrauen. Die rund zehn Männer unterschiedlicher Berufssparten und Altersklassen treffen sich in loser Folge zum Karten spielen, Motorrad fahren, aber auch zum Backen. Und selbst im Kochlöffel schwingen sind sie allererste Sahne. Im Gasthaus »Krone« in Eckartsweier unter der Regie von Koch und Gastwirt Walter Hetzel schnippeln, brutzeln, rühren und braten sie, bis die Töpfe brodeln.
Spätestens seit diesem ersten Männerkochkurs wissen die Ehefrauen der Willstätter: der Spruch »Männer können nicht kochen« ist passé. Doch bevor die besseren Hälften kosten können, müssen sich die Landmänner um 9 Uhr morgens im Allerheiligsten von Walter Hetzel einfinden.
Ehrensache, dass die Kochnovizen pünktlich zur Stelle im Gasthaus »Krone« sind, um ein klassisches badisches Festtagsmenü zu zaubern: Hanauer Bollesupp, Feldsalat, Badischer Sauerbraten in Rotweinsoße mit geschabten Spätzle und Speckknödel – das Programm ist knackig. Und als Nachtisch hat Backprofi Karl Boldt Nonnenseufzer und badische Liebesknochen (Eclairs) geplant.
Damit das Fleisch so richtig auf der Zunge zergeht, haben es die Landmänner unter Anleitung des Chefkochs Walter Hetzel mehrere Tage vorher in einer Beize aus Rotwein, geschnittenen Zwiebeln und Sauerbratengewürz eingelegt. »Die Soße zieht in das rohe Fleisch ein und sorgt für den typischen Sauerbratengeschmack. Außerdem macht die Säure im Wein das Fleisch mürbe, denn er zersetzt die Fleischfasern und Sehnen«, erzählt der Fachmann den andächtig Lauschenden. »Wer den Rotweingeschmack nicht so gerne mag, kann das Fleisch stattdessen auch mit Essig marinieren«, gibt Hetzel den Kochnovizen für den heimischen Herd mit auf den Weg.
Denen bleibt kaum Zeit, die eingelegten Bratenstücke zu bewundern. Die anderen Zutaten müssen bereitgestellt und Arbeitsgruppen gebildet werden. Ein Team mit vier Mann ist dafür zuständig, die Fleischstücke zuerst rundherum anzubrutzeln, bevor sie mit dem Rotweinsud abgelöscht werden und anschließend zwei Stunden auf kleiner Flamme sich hin köcheln.
Herzhaft zupacken heißt es für Günter Lutz, Meinhard Müll, Rüdiger Benz, Rudel Lutz und Karl Boldt. Sie formen die Hackfleischklößchen für die Bollesupp mit den bloßen Händen. »Ihr könnt doch gleich mit den Speckknödeln weitermachen«, frotzelt Helmut Breithaupt. Recht hat er. Ändert sich doch nur das Verhältnis von Golf- auf Tennisballgröße, und die Männer haben sich doch so richtig schön schon eingerollt.
Doch nur Günter Lutz hat noch nicht genug von der Handarbeit. Zusammen mit Roland Göppert (Schnick) will er gerade dem Knödelteig zu Leibe rücken, dessen Rezept von Meinhard Müll stammt. Doch zuvor gellt ein Schrei durch die Küche. Breithaupt kommt mit den gedünsteten Zwiebeln angelaufen.Beinahe hätte er vergessen, eine wichtige Zutat zwischen Räucherspeck, Weißbrotwürfeln, Mehl und Eiern zu versenken. Schnell werden die Zwiebeln eingearbeitet. Jetzt können Göppert, Lutz und Müll mit dem Formen der zähen Masse loslegen.
Es ist ein ganz besonderes Erlebnis, wenn neun Männer in der Küche stehen und jeder seinen Teil zum Gelingen eines feinen Menüs beiträgt. Die Konzentration ist fast mit den Händen zu greifen. Die Mannschaft kocht sich mit Bravour in kulinarische Wunderwelten, muss auch Chefkoch Hetzel neidlos anerkennen. Obwohl ihm noch nie so viele beim Kochen über die Schulter geschaut haben, lässt er sich nicht aus der Ruhe bringen. Erklärt, zeigt und hilft, wo Not am Mann ist. Wer schafft, muss auch trinken. Immer wieder lassen die Hobbyköche die Bierflaschen kreisen.
Ein anderes Grüppchen übt sich derweil im Dessert machen. Auf ein Backpapier wird Brandteigmasse in kleine Rosetten aufgespritzt. »Etwa so groß wie eine Haselnuss!«, empfiehlt Backprofi Karl Boldt. Für die Liebesknochen reicht ein kurzer Strang. »Ach mache doch, was ’ner welle. Ihr mij’n se jo selber esse!«, seufzt dieser, als er die krummen Würste sieht. Doch gefüllt mit Eierlikör- oder Moccacreme nach dem Auskühlen ist es egal, dass die Nonnenseufzer oder Eclairs nicht aussehen wie vom Konditor. Schmecken tun sie allemal.
Mittagszeit: Die ersten Damen haben bereits am Tisch Platz genommen. Jetzt muss es an allen Fronten schnell gehen. Roland Göppert schabt den Spätzleteig, dass das Salzwasser nur so aus dem Topf spritzt. Dabei gehen die Meinungen der Topfgucker weit auseinander: »Tauchen sie noch oder schwimmen sie schon?«, lautet die Frage. Wie gut, dass Walter Hetzel ein Auge auf die Aktion hat und die Spätzel rechtzeitig aus dem Wasser lupft.
Aus einem Teil des Weinsudes und dem Bratensaft zaubert derweil Schnick eine braune Soße, bindet sie mit Mehl ab und würzt mit Pfeffer und Salz. Noch den Braten in Scheiben schneiden, dann kann die Rinderbrühe mit den Hackfleischklößchen aufgetragen werden. Und schon bald hört man aus dem Gastraum wohlige Laute und ein einträchtiges Mmmmhh…!
Besondere Ehre wird den Willstätter Landmännern in der nächsten Ausgabe "Meine gute Landküche" aus dem Hubert Burda Media Verlag zuteil. Sie sind die Hauptakteure der diesjährigen Weihnachtsplätzchenstrecke. Lasst Euch überraschen, was die Herren so alles auf Lager habe. Ich sage nur: "Einfach zuckersüß und saulecker!" Das Heft erscheint am 7. November im Zeitschriftenhandel. Also, Leute, kaufen, schwelgen und nachbacken! Es lohnt sich.