Davon träumen nicht nur kleine Jungs, sondern auch mein Liebster: Fechten wie „Prinz Eisenherz“. Darum kommt hier mein (wahrscheinlich) letzter Geschenk-Tipp vor den Weihnachtsfeiertage. Allerdings darf mein Mann dieses "Präsent" nicht an Heiligabend auspacken, sondern als Schütze-Geborener 13 Tage vorher. Mit seinem Gutschein kann er sich dann drei Monate lang von Ingo Litschka vom „Fecht-Hut“ die Kunst des Schwertkampfes vermitteln lassen. Allen Neulingen macht der Meister der Klinge aber gleich von Anfang an klar: „Filmszenen wie bei ,Prinz Eisenherz‘ oder den ,Drei Musketieren‘ könnt ihr gleich vergessen.“
Ingo Litschka ist das, was man gemeinhin einen Kerl wie einen Baum nennt. Groß, kräftig und breitschultrig steht er da und lässt den Kellerraum noch beengter wirken, in dem er seine Schüler tainiert. Nötig hätte er das imposante Langschwert wahrlich nicht, um Eindruck bei diese zu schinden. Es genügt schon, dass diese den Kopf in den Nacken legen müssen, wollen sie den Ausführungen ihres Meister folgen. Der 45-jährige Pforzheimer hat sich dem historischen Fechten verschrieben und vermittelt diese Jahrhunderte alte Fertigkeit in einen kleinen Kreis Eingeweihter.
Mit Schwert, Buckler, Messer, Dolch, Mordaxt, Rapier und Stock bringt er Jugendlichen und Erwachsenen diesen faszinierenden europäischen Sport näher. Im Einzelunterricht, aber auch in kleinen Gruppen mit maximal vier Personen zeigt er, dass es um Technik, Offenheit und Flexibilität geht, nicht ums bloße
"Dreschen“. Wer sich als Kind für die rasanten Kampfszenen in Kino- und Fernsehfilmen begeisterte, muss bei Litschka nun Abschied nehmen von idealisierten Vorstellungen über das Mittelalter. „Die in Filmen dargestellten Fechtszenen kann man gleich vergessen“, sagt Litschka. „Auch die im Sportfechten herrschende Disziplin. Im Mittelalter ging es schlichtweg ums eigene Überleben, nicht darum, Punkte zu machen.“
Litschka, ganz in Schwarz mit einem verwegen um den Kopf geschlungenen Kopftuch, fängt mit seinen Schülern damit an, „womit auch die Knappen begonnen haben“. Mit gepolsterten Scheibendolchen, die engsten Körperkontakt von Mann zu Mann erfordern. „Man könnte es auch Rumbubeln nennt“, grinst der Hüne.
Für die Übungsstunden verwendet er Waffen aus Aluminium. „Die werden nicht so schnell schartig.“ Mancher Zweikampf sieht eher nach Ringen und Boxen denn nach Fechten aus. „Aber das passt schon. Schließlich hat sich aus dem Ringen das Fechten und aus dem Fechten das Boxen entwickelt.“ Der Weg zum gekonnten Umgang mit dem geschmiedeten Stahl ist weit. Um beim Gegner einen – ursprünglich im Ernstfall tödlichen – Stich zu landen, ist eine ungeheure Vielfalt an gezielten Körper- und Hiebbewegungen, Konzentration und gleichzeitig flexiblen Geist nötig. „Etwa sieben Jahre lang dauerte die Ausbildung eines Ritteranwärters“, weiß der Inhaber der Fecht-Schule an der Arlingerstraße.Unaufgeregt und aufmunternd weckt Litschka das Grundverständnis seiner „Knappen“ für die einzelnen Waffen. Dabei lässt er viel Fachwissen um den historischen Kontext des Fechtens einfließen. So erfahren die Teilnehmer, dass Redensarten wie „auf der Hut sein“ und „jemanden auf dem falschen Fuß erwischen“ aus der Fechtsprache stammen. Immer wieder baut er Brücken zu anderen, auch asiatischen Kampf- und Fechtsystemen, so dass das Training besonders für Kampfsportler und Fechter äußerst interessant und aufschlussreich ist.
Sobald Ingo Litschka mjt einem seiner Aspiranten in Clinch geht, wirkt der Schwertkampf wie ein durchchoreografierter Tanz. Doch der Lehrer ist nicht übermächtig. Manch einer der Schüler landet hin und wieder sogar einen trefflichen Hieb, was Litschka überrascht und auch freut. Mit Lob wird dann nicht gespart.
Das historische Fechten ist ein „Allkampfsystem“ mit unterschiedlich bewaffneten und unbewaffneten Techniken. Selbst das Werfen eines Hutes, um den Gegner zu blenden, das Treten auf den Fuß oder das Schlagen mit dem Knauf eines Schwertes sind erlaubt. „Auch der Daumen im Auge ist noch gentlemanlike“, schmunzelt Litschka. „Eine Etage tiefer dagegen ist verpönt.“
Bücher und Schriften zur Fecht- und Kampfkunst von verschiedenen Fechtmeistern gibt es bereits seit dem 13. Jahrhundert. Das historische Fechten umfasst somit gut 500 Jahre europäische Geschichte. Verdrängt wurde der klassische Mann-zu-Mann-Kampf, bei dem Kraft, Geschick und Können zählten, von Schwarzpulver-Waffen, die sich immer mehr verbreiteten. Nachdem im 19. Jahrhundert das historische Fechten bei den aufgeklärten Bürgern nicht mehr en vogue war, erlebt es mit begeisterten Kämpfern wie Ingo Litschka eine Renaissance. Mittels historischer Quellen in Form von Schriften und Büchern wird die ursprüngliche Kampfkunst rekonstruiert.
Der Pforzheimer kam vor zehn Jahren durch einen Fantasyfilm zum Fechten. „Was die machen, kann ich doch auch, dachte ich damals“, erzählt der 45-Jährige. Er ging auf die Suche nach den Wurzeln und der Substanz dieser Kampfkunst. Einen „sehr geduldigen“ Lehrmeister und Mentor fand er in Walter Neubauer von „Ochs München“, einem Verein für historisches Fechten. Das westliche Kampfsystem ist reichhaltiger und effizienter, als ich dachte“, stellte der Recke bei seiner Suche fest. „Vor allem war ich nicht auf die Fülle an Techniken, Tricks und Waffen gefasst.“ Mit den passenden Trainingswaffen wird er von Walter Neubauer aus Bayreuth beliefert. Der Schwertkünstler kämpft nicht nur, sondern stellt auch die schlagkräftigen Requisten her, mit denen er die heimischen sowie die Salzburger Festspiele versorgt.
Wenn Litschka nicht das Schwert schwingt, dann den Pinsel. Auch ein edler Recke muss seine Brötchen verdienen. So absolvierte er – nach dem Studium der Theologie in Stuttgart sowie der Philosophie in Karlsruhe – ein Fernstudium in Malerei und Grafik. Seither arbeitet der Pforzheimer als freischaffender Künstler. Er stellt konstruktivistische Arbeiten her, die sich mit Schatten beschäftigen und damit spielen. Vor zwei Jahr war er beispielsweise auf der Karlsruher Kunstmesse vertreten. Neben der Entwicklung seiner freien Kunst arbeitet Litschka auch am Aufbau seiner Fechtschule „Fecht-Hut“. So ist er zurzeit auf der Suche nach einem größeren Übungsraum. „Allerdings hat der enge Keller den Vorteil, dass die Schüler nicht nach hinten oder seitlich ausweichen können, sondern dem Gegner auf die Pelle rücken müssen“, sagt er. Auch eine Showgruppe mit den Fecht-Kollegen Michael Ramus und Winnie Engber könne er sich vorstellen. Immer häufiger werden ihre Fähigkeiten für Events oder auch Werbefilme nachgefragt. „Das wachsende Interesse übertrifft alle meine Erwartungen“, freut sich der Hüne. Und lässt für einen kurzen Moment erkennen, dass auch ein Kerl wie ein Baum seinen weichen Kern hat.
Alle Fotos von Bettina Thieme
Bettina Thieme
hallo Corina,
es freut mich sehr das dir/euch der kalender gefällt, und wünsche für den rest des jahres noch viel freude damit.
allerdings möchte ich anmerken:
alle bildrechte liegen bei mir.
bitte darum dieses zu korigieren! danke!
viele Grüße
Bettina Thieme
Corina
BeitragsautorHallo Bettina,
war keine böse Absicht. Bin nur davon ausgegangen, Herr Lischka hat die Bildrechte. Hätte vielleicht einfach mal vorab fragen sollen. Werde ich aber gleich entsprechend korrigieren.
Übrigens: tolle Fotos, sehr beeindruckend
Liebe Grüße von Corina