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Das  Stahlwerk in Kehl (BSW) darf ausnahmesweise von Betriebstfremden - darunter auch ich - besichtigt werden. Ich bin sehr gespannt auf den Besuch in der Hölle.

Bereit für den Besuch im Badischen Stahlwerk Kehl (BSW). Und ja, ich weiß! Ich sehen aus wie ein Minion aus dem en Film "Ich, einfach unverbesserlich! Das liegt aber nur an der schicken Brille und dem kleidsamen Überzieher
Bereit für den Besuch im Badischen Stahlwerk Kehl (BSW). Und ja, ich weiß! Ich sehen aus wie ein Minion aus dem Film "Ich, einfach unverbesserlich! Das liegt aber nur an der schicken Brille und dem kleidsamen Überzieher
Unterwegs im Stahlwerk oder auf Besuch in der Hölle_Stahlwerk_1
Brandheiß: Eindrücke sammeln von den Besuchern des Badischen Stahlwerks in Kehl

Zusammen mit 18 anderen Interessierten bin ich bei einer Betriebsbesichtigung der Badischen Stahlwerke (BSW) in Kehl dabei. Nach meinem Höhenflug bei der Feuerwehr bin ich für solche Einsätze prädestiniert. Bei der BSW geht's direkt in media res - zum - Nein, das heißt NICHT Hochofen! - Elektrolichtbogenofen, wo Schrott zu Recyclingszwecke eingeschmolzen wird. Endlich weiß ich, warum man sagt, man soll das Eisen schmieden, so lange es heiß ist.

Beeindruckende Zahlen der Stahlproduktion
Die Badischen Stahlwerke GmbH erzeugen jährlich weit über 2,3 Million Tonnen Betonstahl und Walzdraht für den Bau. Das Unternehmen ist Recyclingunternehmen und Stahlwerk in einem. Das einzige Stahlwerk in Baden-Württemberg hat bis heute weit über 60 Millionen Tonnen Schrott in hochwertigen Stahl umgewandelt. So trägt das Unternehmen zur nachhaltigen Ressourcenschonung bei.

Nüchterne Zahlen, erzeugt hinter hohen Hallenwänden und im Schatten gigantischer Krantürme. So richtig kann sich keiner der 18 Leser der Kehler Zeitung ein Bild machen aus den nackten Fakten, die Prokurist Dietmar Weiss im Seminarraum an die Wand wirft. Da die Aktion »Offenes Werkstor« aber einen Aha-Effekt bei den Teilnehmern erzeugen soll, führen Weiss sowie Kollege Wolfgang Ihle die Neugierigen direkt ins Herz der Anlage.

Hier schlägt das Herz der Stahlproduktion
Donner, Blitz und Funkenschauer empfangen die in orangefarben gedressten Besucher im Stahlwerk. Ganz abgesehen vom infernalischen Lärm, den Ohrstöpsel abpuffern. So ähnlich muss es in der Hölle sein. Hier aber schlägt das Herz der Stahlproduktion – heftig pulsierend und mit feuriger Leidenschaft. Im Handumdrehen verwandelt sich angelieferte Schrott in gleißendes Licht, als die Kranzähne ihre Beute in den Elektrolichtbogen-Ofen fallen lassen. Dem 1600 Grad heißen Inneren können weder die Reste von Autowracks noch die Späne aus der metallverarbeitenden Industrie widerstehen. In kürzester Zeit ergießt sich aus dem Ofen in einem Funkenregen das weißlichglühende Material in eine Pfanne, die es weiter transportiert zur Stranggussanlage.

Diese Anlage gießt den geschmolzenen Schrott in lange Stangen. Diese werden ein Stück weiter in »handliche«, 14 Meter lange Knüppel zerschnitten. Beim Knüppelplatz verteilen sich die Teilstücke auf die Stoßöfen des Stabstahl- beziehungsweise des Drahtwalzwerks. Die Walzwerke formen mit hohen Produktionsgeschwindigkeiten von bis 400 Kilometer pro Stunde aus den Knüppeln die Fertigprodukte Stabstahl und Draht. Bei der Stabproduktion werden aus einem Knüppel bis zu vier Stäbe gleichzeitig »gezaubert«. »Das funktioniert so ähnlich, wie wenn Pasta mit der Nudelmaschine gemacht wird«, veranschaulicht Dietmar Weiss plastisch. »Das Halbstück wird dabei immer dünner und länger.«

Die Besucher verfolgen mit heißen Wangen den Weg des Stahls die Fertigungsstraße entlang. Noch einen Rutsch durch die Kühlstrecke und fertig für das Lager oder den Abtransport zur Tief- oder Tunnelbaubranche sind Betonstahl und Walzdraht. Der Draht wird zum besseren Handeln – wie ein Faden auf eine Spule - auf Coils gewickelt. »Nägel und Drahtzäune stellen wir in einem Schwesterunternehmen in Plochingen her«, beantwortet Weiss diesbezügliche Fragen der Leser, von denen sich einige nach dem Rundgang Schweißtropfen abwischen müssen.

Um die hohen Qualitätsansprüche der Produkte zu erfüllen, kommt dem Einkaufvon Rohstoffen eine besondere Bedeutung zu. Der Prokurist betont: »Wir prüfen nicht nur bei der Lieferung, ob der Schrott frei von jeglicher Kontaminierung, Radioaktivität und möglichen Hohl- und Sprengkörpern ist. Auch aus dem Flüssigstahl werden Proben mit so genannten Manipulatoren entnommen.« Gearbeitet wird bei den BSW 24 Stunden um die Uhr im vollkontinuierlichen Fünf-Schicht-Betrieb. Nur ab Weihnachten steht dasWerk für drei Wochen still. »Für Reparaturen«, sagt Ihle. Für Kehl stellt das Unternehmen einen beträchtlichen Wirtschaftsfaktor dar. »Von rund einer Milliarde Umsatz jährlich bleiben 100 Millionen Euro etwa in regionale Unternehmen und fließen so in die Wertschöpfungskette des Kreises. Und auch wenn das Stahlwerk Nägel nur als Abschiedsgeschenk für die Leser parat hat. Hier kann man ganz klar sagen: »Die machen Nägel mit Köpfen!«

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Portalkräne greifen sich von den Frachtschiffen die Schrottlast und befüllen damit die Körbe der Schrottfähren. Die Fähren befördern ihren Inhalt in die Ofenhalle des Stahlwerks, wo schon die Elektrolichtbogenöfen warten. In dem Moment, wenn das Rohmaterial in den Elektrolichtbogenofen fällt, erhellt gleißendes Licht die dunkle Ofenhalle. 115 Tonnen Schrott ergeben nach dem Schmelzen das Abstichgewicht (flüssiger Stahl) von ca. 100 Tonnen
Unterwegs im Stahlwerk oder auf Besuch in der Hölle_Stahlwerk_6
Der flüssige Stahl läuft in Kupferrohe (Kokille). Darin wird er – gekühlt mit Wasser – zu festen Knüppel geformt. Diese durchlaufen die Stoßöfen und werden dann entweder in Walzdraht oder Betonstahl (Foto) umgewandelt
Unterwegs im Stahlwerk oder auf Besuch in der Hölle_Stahlwerk_3
Der dick vermummte Stahlwerker hat mit Hilfe des Lanzenmanipulator aus dem flüssigen Stahl eine Probe entnommen. Diese schickt er per Rohrpost zum Labor, wo Mitarbeiter den Inhalt auf Schadstoffe und Radioaktivität analysieren
Unterwegs im Stahlwerk oder auf Besuch in der Hölle_Stahlwerk_5
Das verflüssigte Stahl wird in die bereitstehenden Formen gegossen.